
Einleitung
Myopie nimmt weltweit zu und betrifft immer mehr Kinder und Jugendliche. Als Eltern fragen Sie sich, warum Ihr Kind kurzsichtig wird und was Sie dagegen tun können? Die Ursachen sind komplex und umfassen genetische Faktoren sowie Umweltbedingungen. Ein besseres Verständnis dieser Einflüsse kann helfen, sinnvolle Präventionsstrategien zu wählen, um die Augengesundheit Ihres Kindes langfristig zu fördern.

Das Wichtigste in Kürze
- Kurzsichtigkeit (Myopie) wird durch eine Kombination aus genetischen und umweltbedingten Faktoren beeinflusst.
- Genetische Veranlagungen erhöhen das Risiko, jedoch können präventive Maßnahmen wie regelmäßige Zeit im Freien und gezielte Myopie-Kontrollmethoden das Fortschreiten von Kurzsichtigkeit positiv beeinflussen.
In diesem Ratgeber erfahren Sie:
Über Kurzsichtigkeit
Was ist Kurzsichtigkeit?
Kurzsichtigkeit (Myopie) ist ein Sehfehler, bei dem entfernte Objekte unscharf wahrgenommen werden. Sie entsteht, wenn der Augapfel zu lang ist oder die Brechkraft des Auges zu stark, sodass Lichtstrahlen vor der Netzhaut fokussiert werden. Typische Symptome sind unscharfes Sehen in der Ferne, häufiges Blinzeln und Reiben der Augen sowie die Neigung, sich Gegenstände nah vors Gesicht zu halten.


Warum nimmt Kurzsichtigkeit weltweit zu?
Studien zeigen, dass Myopie in den letzten Jahrzehnten weltweit stark zugenommen hat, besonders in asiatischen Ländern.¹ Aber auch in Europa und Nordamerika steigen die Myopie-Raten bei Kindern und Jugendlichen an.² Es wird prognostiziert, dass bis 2050 etwa die Hälfte der Weltbevölkerung kurzsichtig sein könnte.³ Ursachen des Anstiegs: Genetik und Umwelt. Der Myopie-Anstieg lässt sich nicht allein durch genetische Faktoren erklären. Auch Umweltfaktoren haben erheblichen Einfluss, insbesondere:
- Vermehrte Naharbeit: Die häufige Nutzung von Bildschirmen und intensives Lesen und Schreiben erhöhen das Risiko.⁴,⁵
- Wenig Tageslichtexposition: Kinder, die mehr Zeit im Freien verbringen, haben ein geringeres Risiko für Kurzsichtigkeit, da Tageslicht das Augenwachstum reguliert und das Fortschreiten der Kurzsichtigkeit hemmen kann.⁶,⁷
Risiko für Kinder kurzsichtiger Eltern
Das Risiko Ihres Kindes, kurzsichtig zu werden erhöht sich, wenn Sie als Eltern selbst kurzsichtig sind.⁸ Studien zeigen, dass das Risiko besonders hoch ist, wenn beide Elternteile kurzsichtig sind.⁸
Genetische Komponenten
Genomweite Assoziationsstudien, oder GWAS, sind Untersuchungen, bei denen Wissenschaftler den gesamten genetischen Code von vielen Menschen analysieren, um herauszufinden, welche Gene mit bestimmten Gesundheitsproblemen zusammenhängen. Das Ziel ist es, herauszufinden, welche genetischen Faktoren dazu führen, dass jemand eine bestimmte Erkrankung oder Auffälligkeit entwickelt – in diesem Fall, warum jemand kurzsichtig wird. Diese GWAS-Studien haben spezifische Gene identifiziert, die zur Myopieentwicklung beitragen.⁹ So wurden bereits 160 Genregionen, die mit Myopie in Verbindung stehen, entdeckt.⁹ Diese Gene beeinflussen das Bindegewebe und regulieren Wachstumsprozesse im Auge.⁹
Grenzen der Genetik
Es ist verständlich, dass Eltern, die selbst kurzsichtig sind, befürchten, dass ihr Kind ebenfalls eine Myopie entwickeln könnte. Tatsächlich spielt die Genetik eine Rolle bei der Entwicklung von Myopie, jedoch ist sie nicht der alleinige Faktor. Umweltfaktoren, wie etwa zu viel Naharbeit und zu wenig Zeit im Freien, können das Risiko ebenfalls beeinflussen.⁴,⁷
Auch wenn Ihr Kind eine genetische Veranlagung für Kurzsichtigkeit hat, können gesunde Gewohnheiten wie regelmäßige Pausen bei der Naharbeit und viel Zeit draußen dazu beitragen, das Risiko zu verringern.
Denn: Studien haben gezeigt, dass Kinder, die regelmäßig draußen spielen, seltener eine Kurzsichtigkeit entwickeln– und das gilt auch für Kinder mit einer genetischen Veranlagung.¹⁰
Präventionsmaßnahmen
Praktische Tipps für Eltern
Als Eltern können Sie folgende Maßnahmen umsetzen, um das Myopie-Risiko Ihres Kindes zu reduzieren:
- Tageslicht fördern: Mindestens zwei Stunden täglich im Freien, um dem Auge natürliches Licht zu bieten.
- Bildschirm- und Naharbeitszeiten begrenzen: Regelmäßige Pausen einhalten.
- Regelmäßige Augenuntersuchungen: Früherkennung ist entscheidend, um bei Bedarf frühzeitig Maßnahmen zu ergreifen.
- Myopie-Kontrollmaßnahmen: Für Kinder, die bereits kurzsichtig sind, können spezielle Brillen oder Kontaktlinsen das weitere Augenwachstum bremsen.


Fazit: Ein ganzheitlicher Ansatz zur Myopiekontrolle
Kurzsichtigkeit ist ein komplexes Zusammenspiel von genetischen und umweltbedingten Faktoren. Die Veranlagung allein ist nicht ausschlaggebend – durch einen ausgewogenen Lebensstil mit ausreichend Tageslicht, Pausen bei Naharbeit und regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen kann die Augengesundheit gezielt unterstützt werden. Ein ganzheitlicher Ansatz, der genetische Risikofaktoren berücksichtigt und präventive Maßnahmen anwendet, hilft, das Fortschreiten der Myopie möglichst frühzeitig zu bremsen.
Fragen & Antworten
Eltern können auf Anzeichen wie häufiges Augenreiben, das Zusammenkneifen der Augen beim Sehen in die Ferne oder das Halten von Gegenständen sehr nah ans Gesicht achten. Es ist jedoch wichtig, regelmäßig einen Augenarzt oder Optometristen aufzusuchen, um eine professionelle Beurteilung zu erhalten.
Wenn ein Kind kurzsichtig ist, kann dies beim Augenarzt oder Optometristen unabhängig vom Alter festgestellt werden. Ein Sehtest kann ohne Angaben des Kindes zu seinem Seheindruck (z.B. Erkennen von Symbolen oder Zahlen/Buchstaben) durchgeführt werden, sodass auch bei den Kleinsten eine Kurzsichtigkeit erkannt werden kann. Ein regelmäßiger Sehtest kann helfen, Sehfehler frühzeitig zu entdecken und Maßnahmen zur Kontrolle der Myopie rechtzeitig zu ergreifen.
Nicht unbedingt, aber das Risiko ist erhöht. Kurzsichtigkeit wird oft vererbt, doch das Risiko kann durch einen gesunden Lebensstil mit viel Tageslicht und einer ausgewogenen Lesezeit gesenkt werden.
Wenn beide Elternteile kurzsichtig sind, ist das Risiko für das Kind erhöht, ebenfalls Kurzsichtigkeit zu entwickeln. Studien zeigen, dass das Risiko eines Kindes mit einem kurzsichtigen Elternteil bereits um das 3-fache erhöht. Sind beide Eltern eines Kindes kurzsichtig, besitzt es ein 6-fach höheres Risiko, selbst kurzsichtig zu werden.
Es gibt genetische Tests, die bestimmte Gene und Marker erkennen, die mit einem erhöhten Myopie-Risiko in Verbindung stehen. Allerdings gibt ein solcher Test nur eine Wahrscheinlichkeit an und kann die Entwicklung der Kurzsichtigkeit nicht genau vorhersagen. Auch bei genetischem Risiko können präventive Maßnahmen dazu beitragen, die Wahrscheinlichkeit des Entstehens von Kurzsichtigkeit zu reduzieren und das Fortschreiten zu bremsen.
Autorin
Ihre Sehtalent Expertin
M.Sc. Vision Science and Business (Optometry)
Spezialistin für Myopiekontrolle bei Avermann Contactlinsen
Literatur
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